Wer Fan des Shooters Bioshock ist, hat im letzten Jahr eine erstaunlich standhafte Geduld bewiesen. Für das Frühjahr 2012 angesetzt wurde das Spiel immer wieder verschoben und nun endlich releaset. Ob sich das warten gelohnt und warum nicht jeder unbedingt bedingungslos Gefallen finden wird, lest ihr hier.
Charakter mit Charakter
Wir schreiben das Jahr 1912. Um seine Schulden bei nicht gerade angenehmen Geschäftspartnern gutzumachen reist der ehemalige Söldner Booker De Witt nach Comlumbia, einer Stadt in den Wolken, erbaut von einer Sekte. Dort soll eine Frau aus Columbia, namens Elisabeth, entführen und zu seinen Gläubigern bringen. Doch die Stadt wahrt die Idylle nur nach außen und die Situation droht in einem Kleinkrieg zu eskalieren. Auch merkt De Witt früh, warum die Regierung so interessiert daran zu sein scheint, das seine Zielperson besser in Columbia bleibt. Die nette Elisabeth scheint nämlich über unglaubliche Zauberkräfte zu verfügen.
Die Story war in Bioshock schon immer mehr als nur hübsches Beiwerk, doch Infinite haut noch eine Schippe drauf. Immer wieder gibt es überraschende Wendungen und neue Charaktere, die allesamt einen eigenen Charakter und eigene Ziele besitzen. Außerdem scheint zum ersten mal in der Serie der Hauptcharakter auch Teil der Geschichte zu sein, statt nur ein Augenzeuge. De Witt ist sogar – mehr oder weniger absichtlich – der Funke, der das Pulverfass Columbia zur Explosion bringt. Umso schöner, dass Irrational Games , dem Mann auch ein Wesen gibt. Man merkt Booker vom Beginn sofort an, dass er vom Leben gezeichnet ist, er wirkt sarkastisch, zynisch und irgendwie immer auch etwas traurig. Seine Begleiterin Elisabeth läuft hingegen mit einem kindlichen Dauerlächeln durch Columbias Straßen. Hierzu ein großes Lob an den Entwickler: Die Beziehung dieses ungleichen Teams, ist ein wahres Wechselbad aus Zweck, Liebe, Hass und Sehnsucht. Sie ist so nahe und glaubwürdig umgesetzt worden, wie ich es in einem Ego-Shooter schon seit langem nicht mehr gesehen habe.
Leider sind dabei die moralischen Entscheidungen der Vorgänger stark auf der Strecke geblieben. Nur noch in Schlüsselmomenten wird dem Spieler tatsächlich die Wahl geboten. Dafür sind die Konsequenzen in diesen Momenten so schwer vorauszusehen, dass diese für den ein oder anderen auch Ansporn sein können das Spiel noch einmal durchzuspielen und zu sehen was bei der anderen Entscheidung passieren wird.
Der schöne Himmel
Columbia – der neue Schauplatz in Bioshock Infinite – ist keine gewöhnliche Stadt auf der Erde, sondern wurde in den Wolken erbaut. Wie und warum sie erbaut wurde erfahrt ihr im Laufe des Spiels, jedoch Fakt ist: Sie sieht verdammt gut aus! Wieder hat Infinite den serientypisch malerischen Stil. Und wie auch in den Vorgängern schafften es die Entwickler das Setting und auch die Charaktere authentisch zu designen. Auch scheint die Welt immer sehr lebendig zu sein, hier tuschelt ein Liebespärchen, daneben verkauft jemand Zuckerwatte… Es wirkt alles sehr authentisch und lebendig. Das coolste: In dieser Stadt reist man über so gelannte Skylines eine Art Transportschiene, ihre Anatomie ähnelt Achterbahnen und bringt eine unglaubliche Dynamik in die Reisen.
Doch im Kampf übertrafen sich die Entwickler wiedereinmal. Da wäre zum einen das kreative Gegnerdesign, welches von Polizisten über Pyromane bis hin zu riesigen Cyborgs geht. Hinzu kommen schöne Effekte der serientypischen Zauber (in Infinite Kräfte genannt) und auch die Bluteffekte können sich sehen lassen. Angenehm hierbei: das Spiel ist in Deutschland ungeschnitten erhältlich.
Ein Manko erlaubt sich die Grafik leider trotzdem: Euer Charakter scheint nämlich eine Kombination aus Vampir und Geist zu sein. Weder einen Schatten noch ein Spiegelbild besitzt der gute Booker De Witt. Das würde nicht sonderlich auffallen, wenn nicht alle anderen einen Schatten besitzen würden und Booker in manchen Cutscenes auch ein Spiegelbild hat. Doch weitere Fehler erlaubt sich die Grafik nicht und auch diesen kleinen Makel vergisst man zwecks der ansonsten tadellosen Optik schnell.
Hinzu kommt, dass Bioshock Infinite einfach gut klingt. Der Soundtrack ist wie von der Serie gewohnt stimmig und auch die deutsche Vertonung ist fast immer gut gelungen. Einzig die Waffensounds klangen teilweise etwas dumpf doch auch das ist nur ein kleiner schwarzer Punkt auf der ansonsten weißen Technikweste von Infinite.
Schneller Schusswechsel
Die Änderung des Settings hatte auch zu einigen Änderungen der Spielregeln geführt. Da man nun keiner handvoll wahnsinniger Drogenjunkies in den Ruinen Raptures sondern halbwegs klar denkenden Menschen in einer blühenden Metropole gegenüber steht, musste das Gameplay stark angepasst werden. Statt Geschütze oder Automaten zu hacken, werden diese durch die Hypnose-Kraft kurzfristig übernommen. Außerdem besteht aufgrund der gut ausgerüsteten Armee, die gegen euch kämpft, nie Munitionsknappheit, welche allerdings durch die höhere Anzahl der Gegner wett gemacht wird. Zusätzlich steht euch nach etwa 3 stunden Spielzeit Elisabeth unterstützend zur Seite unter hilft euch indem sie für euch Gesundheit, Mana und Munition sucht. Außerdem kann sie durch Risse einige Gegenstände wie Deckungen, Munitionskisten aber auch freundlich gesinnte Kampfdrohnen zu euch schicken. Die Gegenstände sind allerdings sehr situationsabhängig, sodass sie nicht zur Superwaffe werden. Insgesamt wirken die Kämpfe wesentlich dynamischer als in den ersten Teilen, die Action weiß zu überzeugen. Leider nicht immer für alle….
Kompromisse mit Zähneknirschen
Bioshock-Fans kann bei einigen Kompromissen tatsächlich etwas flau im Magen werden. Wo das fehlende Hacking und die fehlende Isolation ja noch auf das Setting und die Story geschoben werden können gibt es einige Änderungen, die mir doch etwas zu sehr in Richtung 08/15 Shooter gehen. So kann man nun nur noch zwei Waffen gleichzeitig tragen. Bei der Menge an Munition kein Problem, nur war das Arsenal vieler komplett individueller Waffen auch immer ein Plus von Bioshock gewesen. Daraus konnte man sich immer wieder neue Strategien überlegen, wie man seine Waffen effektiv einsetzt, auch in Kombination mit den Zaubern. Generell sind viele Möglichkeiten der Individuellen Strategiebildung verloren gegangen. Statt selbst zu entscheiden welche Zauber man mitnimmt, werden diese an bestimmten Stellen im Spiel einfach freigeschaltet. Auch gibt es keine Spezialmunition mehr. So bleiben einem praktisch kaum Möglichkeiten der Spezialisierung. Immerhin können manche Gegner nur mit bestimmten Kräften effektiv ausschalten. Dennoch: für ein Bioshock ist das doch etwas zu wenig.
Was am Ende zählt
So sehr einen dieser Kompromiss zugunsten der Action auch den ein oder anderen stören können, so sehr muss ich sagen: Man kann und muss damit leben! Denn Bioshock Infinite ist trotz alledem ein Weltklasse Ego-Shooter. Der Storymix aus Fantasy und Thriller gepaart mit brachialer Action weiß nicht nur zu motivieren sondern auch zusammen mit dem mal wieder großartig designeten Setting zu begeistern. Dieses Spiel kann bedingungslos gekauft werden, von Neulingen der Serie genauso wie eingefleischten Fans.
Unsere Wertung
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